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Soziales

Die soziale Frage ist eine – wenn nicht die – größte Herausforderung unserer Zeit. Und sie wurde durch die Pandemie und die steigenden Energiepreise weiter befeuert. Wir wollen uns nicht im Kompetenzgerangel verlieren. Die grundlegende Forderung an eine europäische Sozialpolitik besteht darin, dass sich Europa bewusst wird, dass zu große Unterschiede in den sozialen Standards der Mitgliedsstaaten die Stabilität der Union gefährden und auch die wirtschaftlichen Grundfreiheiten aus dem Gleichgewicht bringen.

Autor:innen

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Franz Marhold Beiratsvorsitzender
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Franz Marhold Beiratsvorsitzender

Stellvertretender Institutsvorstand für österreichisches und europäisches Arbeits- und Sozialrecht der Wirtschaftsuniversität Wien und emeritierter Rechtsanwalt

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Karl Aiginger Beiratsmitglied
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Karl Aiginger Beiratsmitglied

Professor an der WU-Wien und Direktor der Europaplattform: Wien-Brüssel

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Joe Weidenholzer Beiratsmitglied
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Joe Weidenholzer Beiratsmitglied

Abgeordneter zum Europäischen Parlament a.D. und ehem. Professor für Gesellschafts- und Sozialpolitik an der Johannes-Kepler-Universität Linz

Oft sind es nicht nur Erfolge, sondern auch Krisen, die uns sozial stärker machen, uns zusammenwachsen lassen. Während der COVID-19-Pandemie musste soziale Nähe zwar gemieden werden, doch ist sozialer Zusammenhalt so wesentlich wie noch nie geworden. Gerade in Situationen grenzüberschreitender sozialer und wirtschaftlicher Herausforderungen ist es notwendig international an einem Strang zu ziehen. Auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit seinen Millionen an Vertriebenen hat uns die Bedeutung europäischen Zusammenhalts und solidari- scher Unterstützung nochmals klar vor Augen geführt.

Die Europäische Union ist dabei ein prädestinierter Raum zur Schaffung gemeinsamer Sozialstandards und einer Sozialunion, die nicht nur so betitelt wird, sondern tatsächlich Schritt für Schritt gelebt wird. Denn Europa ist nicht nur ein Wirtschaftsraum, sondern ein Raum von Menschen mit gesellschaftlichen Anliegen und sozialen Notwendigkeiten. Die soziale Frage zählt daher zu den größten Zukunfts- herausforderungen unserer Zeit und unserer Union.

Diese Bedeutung des europäischen Horizonts hat sich selten so klar gezeigt, wie zuletzt: Ohne eine gemeinsame EU-weite Impfstoffbeschaffung und -verteilung und solidarische Hilfeleistungen zwischen den Mitgliedstaaten wären wirtschaftlich schwächere Staaten schlechter ausgestiegen, es wäre zu Preiskämpfen gekommen und die Verteilungsgerechtigkeit hätte massiv darunter gelitten. Hätte bei diesen Entscheidungen allerdings nur ein einziger Mitgliedstaat blockiert, wäre eine effizien- te europäische Krisenbewältigung aufgrund des im Sozial- und Gesundheitsbereich zu oft geltenden Einstimmigkeitsprinzips nicht derart machbar gewesen.

Aufgrund der häufig schwierigen Konsensfindung im Rat wird die Teilkompetenz der EU in Sozialagenden entwertet und fällt de facto meist allein in die Mitgliedsstaaten zurück. Hier müssen wir Europäerinnen und Europäer also Lösungen finden, um auch künftigen Herausforderungen gemeinsam Herr zu werden.

Auch um das Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft in Verbindung mit dem Binnenmarktkonzept und der Wettbewerbspolitik der EU glaubwürdig umsetzen zu können, braucht es europaweite soziale Mindeststandards.

Gemeinsame Mindestlohn-Kriterien müssen genauso Thema sein wie europaweit hohe Standards für soziale Sicherheit und Arbeitsbedingungen über alle Branchen hinweg. Gleichzeitig sind die Ausbildungen und deren Qualität in den EU-Mitglied- staaten immer noch stark unterschiedlich, Anerkennungsschwierigkeiten und Mobilitätshürden das Resultat. Auch hier ist es höchste Zeit europäische Antworten zu finden.