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Energie

WindFloat Atlantic wind farm is pictured at Viana do Castelo, north of Portugal, on June 14, 2021.

Bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu werden ist erklärtes Ziel des European Green Deal. Energie ist die Grundlage für menschliche Entwicklung und daher von enormer Bedeutung für das Wohlbefinden der europäischen Bevölkerung sowie den Erfolg der europäischen Wirtschaft.

Die Nutzung erneuerbarer Energien trägt zur Verringerung der Treibhausgasemissionen, Diversifizierung der Energieversorgung und Reduktion der Abhängigkeit von den Märkten fossiler Brennstoffe (insbesondere Öl und Gas) bei. Das Potenzial durch vermehrte Nutzung erneuerbarer Energiequellen die Beschäftigung in der EU zu fördern ist hoch.

Mehrere erneuerbare Energietechnologien haben in den letzten Jahren bei den Kosten, der Leistung und der Akzeptanz rasche Fortschritte gemacht. Das erhöht die Chancen für das Gelingen der Energiewende. Der rasche Einsatz und die Senkung der Stückkosten modularer Technologien wie Solarenergie, Windkraft und Batterien sind viel schneller erfolgt als von ExpertInnen erwartet und in früheren Szenarien zur Abschwächung des Klimawandels modelliert. Die politische, wirtschaftliche, soziale und technische Machbarkeit von Solarenergie, Windenergie und Stromspeichertechnologien hat sich in den letzten Jahren dramatisch verbessert.

Im Gegensatz dazu ist die Einführung der Kernenergie und der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) im Elektrizitätssektor langsamer verlaufen als die in den Stabilisierungsszenarien erwarteten Wachstumsraten. Kleine Technologien (z. B. Solarenergie, Batterien) konnten sich nicht nur schneller verbessern, sie genießen auch höhere gesellschaftliche Akzeptanz als Großtechnologien (IPCC 2022).

Der Anteil des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen in Europa liegt derzeit bei 22,1 % (EEA 2022). Der Anteil der erneuerbaren Energien hat sich zwischen 2005 und 2020 mehr als verdoppelt, was auf gezielte politische Maßnahmen und Förderregelungen sowie auf die gestiegene Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Technologien zurückzuführen ist. Dieser Trend entsprach einem durchschnittlichen jährlichem Anstieg von 0,8 Prozentpunkten während des 15-Jahres-Zeitraums. Der Anstieg im Jahr 2020 (von 2,2 Prozentpunkten) war der größte in der gesamten Zeitreihe und diese Dynamik hält an. Wenngleich diese Entwicklungen erfreulich sind, kommt 78 % der in der EU genutzten Energie noch immer von fossilen Energieträgern. Weltweit haben 80 % der Klimagasemissionen noch immer keinen Preis und die Information welche InvestorInnen auf Basis der EU-Taxonomie bezüglich Atomenergie und Erdgas erhalten, ist aus ökologisch-ökonomischer Sicht problematisch.

In Zukunft sollte die dezentrale Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien, individuell oder in lokalen Energiegemeinschaften, gestärkt werden. Durch Integration von PV, Speicher und smarter Verbrauchssteuerung, insbesondere für E-Mobilität, kann der Lastausgleich verbessert werden und so die Abhängigkeit von volatilen und derzeit extrem hohen Spotmarktpreisen, welche aufgrund des Merit Order-Prinzips von fossil befeuerten Kraftwerken determiniert werden, reduziert werden.

In Unterschied zu den Erfolgen bei den erneuerbaren Technologien wird das Potenzial von Energiesparmaßnahmen oftmals unterschätzt und sie werden wenig genutzt. Szenarien für die Dekarbonisierung des Energiesystems gehen von einem machbaren und auch notwendigen Energieeinsparungspotenzial von min. 25 % aus. Der Fortschritt bei der Nutzung dieses Potenzials hinkt jedoch den technologischen Erfolgen bei den Erneuerbaren hinterher. Einerseits erfordert die Steigerung der Energieeffizienz jenseits der Verbesserung einzelner Technologien und Produktionsprozesse, also systemische Effizienzsteigerungen, Koordination und Kooperation und andererseits scheuen sich EntscheidungsträgerInnen zur Reduktion des Energieverbrauchs aufzurufen.

Ziele für die Energiebereitstellung sind sichere, leistbare und grüne Energie für die BürgerInnen und Unternehmen in der EU. Spätestens seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine erfüllt Erdgas keine dieser Kriterien. Die Aussicht aus russischem Erdgas rasch aussteigen zu müssen stellt einzelne Mitgliedsländer vor enorme Herausforderungen, da sie viel zu lange auf die Nutzung von Erdgas setzten und einige Länder diese Abhängigkeit bis in die jüngere Vergangenheit sogar noch ausbauten. Das Narrativ von Erdgas als Brückentechnologie verzögerte die aus Klimaschutzgründen notwendige Energiewende und macht Europa in hohem Ausmaß erpressbar. Diese über Jahrzehnte gewachsene Abhängigkeit kann weder unmittelbar noch kurzfristig geändert werden.

Die Verwerfungen der letzten Jahre aufgrund von unterbrochenen Lieferketten während der COVID-19-Pandemie und das Risiko mit einem trägen Energiesystem auf rasche Veränderungen reagieren zu müssen, hat zu hohen Energiepreisen und Verunsicherung der Bevölkerung und bei einigen UnternehmerInnen geführt.

Hohe Energiepreise sind in einer Marktwirtschaft ein essenzieller Teil der Energiewende. Aufgrund des Preissignals wird angezeigt, dass Energieressourcen nicht nur knapp, sondern auch wertvoll sind. ÖkonomInnen fordern seit Jahrzehnten einen avisierten kontinuierlich ansteigenden Energiepreispfad mittels Steuern oder handelbaren Zertifikaten, damit alle ökonomischen AkteurInnen ökologisch korrigierte Preissignale erhalten. Derartige Eingriffe in die verfügbaren Einkommen erfordern freilich begleitende Maßnahmen um die regressive Wirkung einzudämmen. Statt des langfristigen Anstiegs in planbarem Ausmaß führt die hohe Unsicherheit und das Merit Order-Prinzip am Markt aktuell zu kurzfristigen Preisanstiegen in teilweise enormem Ausmaß, was von manchen Haushalten und Unternehmen schwer bewältigbar ist. Weitestgehende Versorgung aus regionalen erneuerbaren Energiequellen, internationale Lieferverträge von erneuerbaren Energiediensten und soziale Innovationen wie Energie als Universal Basic Service (Gough 2018) sind mögliche Elemente der Krisenbewältigung.

Um die Energieversorgung sichern zu können, werden kurzfristig Maßnahmen notwendig sein, z.B. neue Bezugsquellen für fossiles Gas zu akquirieren, die teuer und aus ökologischer Sicht problematisch sind. Nichtsdestotrotz und gerade deswegen muss an den langfristigen Zielen des Green Deal festgehalten werden. Maßnahmen zur Erreichung der Klima- und Energieziele der Europäischen Union müssen beschleunigt und noch konsequenter umgesetzt werden. Mittel- bis langfristig kann nur die Energiewende das Zieldreieck der Energiewirtschaft – Versorgungssicherheit, Leistbarkeit, Ökologie / Klimaverträglichkeit – erfüllen.

Um in Europa die Energiewende zum Erfolg zu führen, die Versorgung mit leistbarer Energie zu sichern und die nötigen Energiemengen für die Dekarbonisierung der Wirtschaft bereitstellen zu können, müssen alle Energiespar- und Effizienzpotenziale genutzt werden. Die erforderlichen Projekte zur Energieproduktion, Verteilung und Speicherung müssen rasch umgesetzt werden. Alle EntscheidungsträgerInnen von der EU- bis zur Gemeindeebene müssen Verantwortung übernehmen, damit Projekte im geforderten Zeitrahmen genehmigt und umgesetzt werden können. Energiewenderelevanten Projekten ist unabhängig von ihrer Größe und dem grenzüberschreitenden Charakter ein Status der hohen Wertigkeit zu verleihen, Genehmigungen dürfen nicht auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben werden Die Energiewende kann aber nur Realität werden, wenn sie auch in das System integriert werden kann. Der Systemumbau muss daher genauso zügig angegangen werden. Langfristig wirkende Investitionen in Netze und Speicher müssen daher jetzt erfolgen, dabei gilt es fossile Lock-In-Effekte zu vermeiden. Auch dafür braucht es das Commitment aller EntscheidungsträgerInnen.

Für die Industrie müssen die Optionen Wasserstoff und CO2-Recycling zugänglich gemacht werden (Rechtsrahmen). Es braucht eine Strategie für die Deckung des Importbedarfs (ohne sich von Atomstrom abhängig zu machen). Neben den produzierten Mengen an Energieträgern ist die Verfügbarkeit zum Zeitpunkt und Ort des Bedarfs wesentlich. Beispiele für systemische Effizienzverbesserungen sind das Nutzbarmachen der Abwärme- und Umgebungswärmepotenziale und der Ausbau von Angeboten und Kapazitäten im Schienen- und Schiffsverkehr zur Güter- und Personenbeförderung.