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Vertiefung der europäischen Wirtschaftspolitik

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Die europäischen Verträge bestimmen, dass die Mitgliedstaaten ihre Wirtschaftspolitik als Angelegenheit des gemeinsamen Interesses betrachten, und auch dementsprechend handeln. Die Einführung der gemeinsamen Währung ab 1999/2002 hat die Notwendigkeit der wirtschaftspolitischen Koordination der Mitgliedstaaten signifikant erhöht. Dennoch erfolgten entsprechende Änderungen der rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen nur bruchstückhaft.

 

Im Bereich der Geldpolitik ist die Vergemeinschaftung innerhalb der Eurozone faktisch und rechtlich zufriedenstellend institutionalisiert. Im Bereich der Fiskalpolitik sowie der Finanzmarktpolitik ist dies jedoch nicht der Fall.

 

Eine vollständige Vergemeinschaftung im Bereich der Fiskalpolitik ist jedoch weder konstitutionell noch ökonomisch sinnvoll, dennoch sollte eine signifikante Europäisierung der fiskalpolitischen Instrumente erfolgen. Im Finanzmarktbereich hingegen sollten zusätzliche europäische Institutionen und Instrumente geschaffen werden. Eine Wirtschafts- und Währungsunion mit, einerseits, einer zentralen einheitlichen Geldpolitik und, andererseits, dezentralen sonstigen wirtschaftspolitischen Instrumenten ist auf Dauer der Gefahr ausgesetzt, nationalen oder regionalen wirtschaftlichen Ungleichgewichten nicht glaubwürdig und effektiv entgegentreten zu können.

 

Daher: Setzt man den (vernünftigen) ersten Schritt in Richtung einer Währungsunion, so muss man sich dessen bewusst sein, dass weitere Schritte in Richtung einer politischen Union gesetzt werden müssen. Legitimität auf europäischer Ebene bedeutet auch, für höhere wirtschaftliche Stabilität Sorge zu tragen. Wie weit dies geht, hängt letztlich vom Grad der Übertragung konstitutioneller Elemente auf die europäischen Ebene ab.

 

Klarerweise ist der EU-Haushalt letztlich auch ein Instrument der wirtschaftspolitischen Steuerung und Umverteilung. Mit seinem Volumen von etwa 1% des BIP hat er allerdings (trotz zum Teil deutlicher struktur- oder regionalpolitischer Ausrichtungen) makroökonomisch in den meisten Fällen nur bescheidene Auswirkungen.

 

Richtungsweisender ist die im Kontext der Pandemie ins Leben gerufene NGEU (Next Generation EU) mit der Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) in einer Höhe von bis zu 750 Mrd. Euro. Mit diesem Instrument wird versucht, in einem kooperativen Ansatz zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission Zahlungen im Gegenzug für „freiwillige“ Reformmaßnahmen der Mitgliedstaaten freizugeben.

 

Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen daher sinnvoll und sollten daher rechtlich umgesetzt werden:

  • Da eine Vergemeinschaftung der Fiskalpolitik weder aussichtsreich noch sinnvoll ist, sollte das europäische Fiskalinstrumentarium signifikant verbessert werden. Dies bedeutet, dass der EU-Haushalt schrittweise auf 10% des BIP erhöht werden soll, während die entsprechenden Ausgaben in den nationalen Haushalten analog zurückzuführen sind.
  • Die Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) sollte in den EU-Haushalt integriert werden, und als dauerhafte Einrichtung beibehalten werden. Das wesentliche Element der kooperativen Reformprogramme ist beizubehalten und die Kontrolle der tatsächlichen Reformumsetzung glaubwürdig auszubauen. Dabei sollten dem EU-Parlament verstärkte Rechte im Vergleich zur derzeitigen RRF übertragen werden.
  • Ein gewisser Teil des EU-Haushaltes sollte als Konjunkturreserve ausgestaltet werden, sodass im Falle eines allgemeinen oder regionalen Konjunktureinbruches gegengesteuert werden kann.
  • Die Finanzierung des Haushaltes soll durch ein System von EU-Steuern erfolgen, wobei der Rat hier mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden hat.
  • Der Stabilitätsakt (SWP) ist zu vereinfachen, und – als eine der Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen – eine Rechtfertigung des nationalen Finanzministers vor dem EU-Haushaltsausschuss vorzusehen in gravierenden Fällen des Regierungschefs vor dem Plenum.
  • Im Bereich der in nationaler Kompetenz befindlichen Steuern ist ein Rechtsrahmen zu schaffen, der verbindlich verhindert, dass rechtliche Umgehungskonstruktionen zu Steuerverschiebungen und -vermeidungen zwischen Mitgliedstaaten erfolgen.
  • Für gewisse Bereiche der Steuerpolitik sind Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit, anstatt der derzeitigen Einstimmigkeitserfordernisse einzuführen.
  • Im Bereich der Finanzmarktaufsicht ist eine europäische Aufsicht (zusätzlich zu den Banken) auch für andere Sektoren einzurichten, also Versicherungen und Wertpapiere. Eine zentrale Geldwäscheaufsicht ist ebenfalls einzurichten.
  • Im Bereich der Bankenaufsicht und -abwicklung sind die bestehenden Behinderungen bei grenzüberschreitenden Bankengruppen rechtlich zu beseitigen. Dies erfordert eine stärkere Europäisierung der Abwicklung von Banken sowie deren Finanzierung. Dies sollte nicht nur innerhalb der Währungsunion Geltung haben, sondern, soweit rechtlich möglich, im gesamten Binnenmarkt.